Buddhismus

Der Einfluss der buddhistischen Lehre auf das Karate ist sicherlich erheblich. Viele Gelehrte stimmen darin überein, dass der indische Mönch Bodhidharma (jap. Daruma), der im 6. Jh. n.Chr. den Zen-Buddhismus nach China brachte, einen gewaltigen Impuls zur Entwicklung der Kampfkünste gab. Am wichtigsten ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass seine Verbindung von yogaähnlichen Atem- und Körperübungen mit schon bestehenden Kampf formen primär als Meditationshilfen und Heilgymnastik gedacht waren. Entwicklung und Stabilisierung der Harmonie von Körper und Geist standen im Mittelpunkt. Die Abkehr von sozialzerstörerischer, unkontrollierter Aggressivität und statt dessen der Einsatz kämpferischer Energie zur mühevollen Arbeit am "Selbst" ist das typische Element, das der Buddhismus von Anfang an den Kampfkünsten mitgab. Auch der buddhistische Glaube an die Selbsterlösung durch lange Reihen von Reinkarnationen hindurch bis zum paradiesischen Zustand des "Dahinwehens" (= Nirvana) spielt eine Rolle. Das Üben von Kampftechniken wurde als ein gutes Mittel angesehen, um nach und nach unter allmählicher Ausmerzung der ich-verhafteten Begierden die Vollkommenheit anzustreben. Bald aber wurde das Praktizieren von Kampftechniken von einem bloßen Mittel zu einem Zweck an sich. Es wurde als eine Zielvorstellung in den Prozess des Strebens nach absoluter Vollkommenheit integriert. Die vielen "Wiederholungen" beim Trainieren der Karatetechniken machen dies deutlich. Eigentlich sind es keine echten "Wiederholungen" des stets Gleichen, da bei jeder Ausführung, bei jedem üben eine absolut perfekte, "ideale" Technik immer wieder neu angestrebt werden soll.

Das geforderte bescheidene persönliche Auftreten des Karateka, der in der Lage sein soll, sein Ego zu kontrollieren, gilt gleichfalls als Manifestation des buddhistischen Einflusses. Auch die Bereitschaft, größte Anstrengung von Körper und Willenskraft auf sich zu nehmen (beim Üben und Trainieren der Techniken), um schließlich größte Leichtigkeit und Spontaneität zu erreichen (bei der optimalen Ausführung und Anwendung), ist ein Spiegel buddhistischer Lehre.

Schließlich ist die große Universalität und damit auch Kasten- bzw. Schichtendurchlässigkeit des ostasiatischen Mahajana-Buddhismus als ein starkes Moment der Verbreitung von Kampftechniken zu sehen. Obwohl aufgrund zeitgeschichtlicher Umstände die karateähnlichen Kampfkünste als Geheimtechniken oft nur an ausgesuchte Personenkreise weitergegeben wurden, erwies sich die integrierende Kraft des Buddhismus gegenüber solchen Ausgrenzungen doch als stärker. Wenn nach buddhistischer Lehre prinzipiell jedem wirklich Wollenden nach langem Weg und vielfältiger Wandlung schließlich der Zugang zum Nirvana offen steht, musste auch der Zugang zum Praktizieren der dafür hilfreichen Kampfkunst gewährt werden. Die besonderen Einflüsse des Zen-Buddhismus auf das Karate kommen hier aber noch ausführlicher zur Sprache.