Okinawa

Okinawa ist die Hauptinsel eine Inselkette vor der Küste Chinas. Die Inselgruppe wird Ryukyu genannt und ist die Verlängerung der Kette der vier Hauptinseln Japans nach Süden hin und liegt auf halber Strecke zwischen Japan und Taiwan. Auch wenn die Wurzeln des Karate, wie schon zuvor beschrieben, weiter zurückreichen und nicht nur in Okinawa zu suchen sind, so gilt diese Insel doch als Geburtsort des Karate – auch wenn der Name Karate anfangs noch nicht verwendet wurde. Der Name Okinawa bedeutet in etwa "Tau im offenen Meer". Die ersten Bewohner werden als Völkergemisch verschiedener Schiffbrüchiger, die hier landeten, vermutet. Kulturellen Einfluss hatte das asiatische Festland bereits seit dem 2. Jh. v. Chr. bereits um Christi Geburt bildete sich die grundsätzlich Prägung des Shintoismus.

Auf dieser Insel entstand im Lauf der Zeit die Kampfkunst Te (auch De oder Ti), was soviel bedeutet wie "Hand" oder auch "Technik", daraus dann später das To-De (oder Tode, To-Ti). To steht dabei für Leer oder auch als "Kara" ausgesprochen für die chinesische Tang-Dynastie, hat aber auch die Bedeutung von China allgemein. Tode kann daher als "Technik der leeren Hand" oder als "Hand aus China" gedeutet werden. Aus Tode wurde Okinawa-Te, die "Hand aus Okinawa". Erst in Japan entstand dann die neue Schreibweise Karate, die zwar auch Kara gelesen wird, aber nur noch die Bedeutung "Leer" hat, um den Zusammenhang mit China zu lösen, da man das Karate als neue, eigenständige, vor allem japanische Kampfkunst ansah.

 

 

Als erster Kontakt mit China gilt eine Expedition zu Zeiten der Sui-Dynastie im Jahr 605. Aufgabe der Expedition war es, die "Insel der glücklichen Unsterblichen" zu suchen. Gefunden wurde lediglich die Ryukyu-Inselkette. In den Jahren 698 und 743 wurde Okinawa auch von den Japanern entdeckt. Die letzteren Expeditionen führten für Okinawa zur Tributpflicht an Japan. Japan wurde von China im 7. Jh. die politische Unabhängigkeit zugesprochen. Beide Länder unterhielten in der Folgezeit rege Handelsbeziehungen mit einander. Im dafür notwendigen Schiffsverkehr blieben manche Schiffe aus und erreichten nie den Zielhafen. Man kann davon ausgehen, dass einige Passagiere und Besatzungsmitglieder dieser Schiffe sich auf die Insel Okinawa retten konnte. Unter ihnen müssen zwangsläufig auch Beamte, Soldaten und Priester gewesen sein. Da diese vermutlich sowohl chinesischen wie auch japanischen Ursprungs gewesen sind, begann schon früh die Beeinflussung der okinawanischen Kultur durch beide Kaiserreiche.

Im 7. und 8. Jh. kam es in Japan zum Krieg zwischen dem Taira-Clan und dem der Minamoto; die Taira unterlagen. Es entstand reger Reiseverkehr zwischen Japan und Okinawa; Samurai, Wanderprediger und Gelehrte reisten auf die Insel. Im Jahr 1165 weilte Minamoto no Tametomo mit seinen Truppen auf Okinawa und stellte dort eine Armee auf, die er in verschiedenen japanischen Kriegstechniken ausbilden ließ. Eventuell entwickelte sich in dieser Zeit das Tegumi, ein Ringstil, der heute noch praktiziert wird (die Schriftzeichen sind dieselben wie die von Kumite, es werden nur die Zeichen vertauscht). Die Soldaten benötigte er, da er sich für eine neue Schlacht gegen die Taira wappnete. Während er nun eine neue Armee aufstellte heiratete er ein Mädchen von Okinawa die ihm einen Sohn schenkte. Dieser Sohn erhielt den Namen Shunten (auch Sonton oder Shyun).

Shunten wurde 1187 der erste König von Ryukyu, davor verfügte Okinawa über kein gemeinsames Herrschaftssystem. Er ließ Burgen bauen und teilte sein Reich in drei Provinzen, die alle drei sowohl an Japan wie auch an China Tribut zahlten.

Was die Kampfkünste angeht kann über die Zeit vor dem 14. Jh. kaum eine Aussage getroffen werden, da es keinerlei Überlieferungen gibt. Erst im 14. Jh. wurde eine Kampfkunst namens Te (auch Ti oder Di) erwähnt. Sicherlich ist in der Zeit davor die Kampfkunst Quan-Fa durch verschiede Gelehrte und buddhistische Priester nach Okinawa gekommen. Ebenfalls sind klassische okinawanische Tänze, Odori genannt, bekannt, die Kata nicht unähnlich sind und möglicherweise ebenfalls aus China beeinflusst wurden. Beide zusammen dürften der Grundstein für die Entstehung der Kampfkunst Te sein. Strittig ist aber in wie fern Tode und Odori eigenständige Entwicklungen auf Okinawa oder Ableitungen chinesischer Künste sind.

 


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Ab dem Jahr 1372 kamen bis 1866 (trotz der Japanischen Invasion durch den Satsuma-Clan im Jahre 1609) regelmäßig Chinesische Gesandtschaften nach Okinawa. Mit im Gepäck hatten diese Beamten oft auch das Wissen um die Kampfkünste die sie die Okinawaner lehrten. Der Chinesische König Sato (1350-1395) ließ sogar Okinawaner in der Provinz Fukien ansiedeln. Daraus resultierte zwangsläufig auch ein kultureller Rückfluss nach Okinawa. In jener Zeit zerfiel das Reich Okinawas in drei Teile. Es wird das Zeitalter der drei Gebirge genannt, da sich in jedem der Reiche eines der drei Gebirge Okinawas befand. Jedes dieser Reiche versuchte nun mit China Kontakt aufzunehmen um mit ihm als Bündnispartner die andern Reich zu unterwerfen. König Sato war derjenige der aus diesem Ränkespiel schließlich als Sieger hervorging und von China die Regierungserlaubnis als König erhielt. In jener Zeit erhielt der Archipel auch die Bezeichnung Ryukyu anstelle der vormals gebräuchlichen Bezeichnung Okinawa Jima. In der nachfolgend Zeit war es gebräuchlich, dass bei jedem neuen König von Ryukyu eine Gesandtschaft von China den neuen König aufs neue bestätigte. Da diese Gesandtschaften zuweilen bis 500 Mann stark waren und deren Unterbringung und Verköstigung Ryukyu oblag, stellte ein Wechsel des Königs bisweilen eine erhebliche finanzielle Belastung des Königreichs dar. Um diese Belastung zu vermeiden wurde nicht jeder Königswechsel dem Chinesischen Kaiser mitgeteilt. Während der Regierungszeit König Satos wurde aber auch noch ein weiteres, für die Kampfkünste einschneidendes, Ereignis eingeleitet. In Kumemura (auch Kuninada), einer Ortschaft in der Nähe der Stadt Naha wurde eine Gruppe Chinesen angesiedelt. Diese Gruppe wurde später als die "36 Familien" bekannt. Grundlage war die Vereinbarung zwischen dem Kaiser von China und König Sato, in der bereits die Ansiedlung einer Chinesischen Gesandtschaft festgehalten wurde. Ziel dieser Siedlung war zum einen die Bande zwischen Okinawa und China zu festigen und darüber hinaus auch dem König durch die Gelehrten aus China Hilfestellung im Staatswesen zu geben. So waren die Mitglieder dieser 36 Familien ausgebildet in verschiedenen Berufen und Künsten, um diese den Okinawanern beizubringen. Der für die Kampfkünste bekannteste von ihnen war ein Mann namens Kushanku, doch dazu später mehr. Der Nutzen für China lag auf der Hand. Immer mehr Bräuche wurden von den Chinesen übernommen. Zwangsläufig wurden Kontakte zwischen den Chinesen und Okinawanern geknüpft, Studenten bereisten das jeweils andere Land. Ähnliche Siedlungen wurden auch in der Nähe der, ebenfalls südlich gelegenen, Städte Shuri und Tomari gegründet. Unter den Gesandten waren auch verschieden Kampfkunst-Meister, die bald begannen, ihre Kunst den Einheimischen zu lehren.

Während der späteren Regierung von König Sho Hashi (1421-1439) folgten weitere Ereignisse, die die Entwicklung der Kampfkünste auf Okinawa beeinflussten. Er verbot zum einen den Besitz von Waffen und zum anderen baute er die Handelsbeziehungen weiter aus. Während das Waffenverbot durchaus eine positive Wirkung auf die Entwicklung von waffenlosen Kampfkünsten hatte, sollte man diese trotzdem nicht überbewerten. Den schließlich hatten sich derartige Künste bereits zuvor ohne ein solches Verbot schon sehr weit verbreitet und entwickelt. Aber auch die Handelsbeziehungen brachten neue Impulse. So erschloss sich in dieser Zeit fast der gesamte asiatische Raum, von Arabien, Malaysia, Indonesien bis Thailand für Okinawa. Entsprechend fanden auch neue Einflüsse durch andere Kampfkünste aus diesen Ländern statt. In diesen Zeiten kam es auch zur Gründung einer okinawanischen Siedlung in China, nahe der Stadt Fuzhou, die bis ins 20. Jh. bestand hatte. Dadurch entstand ein reger Reiseverkehr zwischen Fuzhou und Kumemura. In Fuzhou erlernten die Okinawaner die Kampfkünste der dort lebenden chinesischen Meister und brachten sie mit nach Hause.

Im Jahre 1479 erlies der amtierende König Sho Shin erneut ein Waffenverbot um die Insel nach längeren politischen Unruhen und Königswechseln zu befrieden. Als Folge entwickelte sich neben dem Te auch das Ryukyu-Kobujutsu, eine Kampfkunst mit umfunktionierten bäuerlichen Arbeitsgeräten, wie zum Beispiel Tonfa, Sai, Nunchaku und Kama.

Da Okinawa aber ebenso nahe an Japan wie China lag war es nur eine frage der Zeit bis auch die Japaner Interesse an dem kleine Inselreich zeigen würden. Der um das Jahr 1600 tobende Bürgerkrieg in Japan wurde Okinawa dabei zum Verhängnis. Im Kampf zwischen den Clans der Tokugawa und Satsuma unterlagen die Satsuma. Nach dem Ende des Kriegs erlaubten die Tokugawa den Satsuma im Namen des japanischen Kaiserreichs die Eroberung von Ryukyu. Um ihr Gesicht zurückzugewinnen eroberten die Satsuma daraufhin 1609 das Königreich und verleibten es dem japanischen Reich ein. Als Begründung wurde auch das Argument verwendet, der erste König von Ryukyu, König Shunten, war ja japanischer Abstammung. Außerdem zahlten die Okinawaner bereits seit 1451 neben den Tributen für China auch Tribut an Japan – eine Regelung, mit der beide Reiche auskamen. Neben einer Möglichkeit für den Satsuma-Clan zur Wiederherstellung seiner Ehre ergab sich dadurch auch den Japanern die Möglichkeit sich an Okinawa zu rächen, da diese sich im China-Krieg nicht auf die Seite der Japaner gestellt hatten.

In der Folgezeit wüteten die Satsuma auf Okinawa. Schnell hatten sie begriffen, das die Kampfkünste des Landes eine Bedrohung ihrer Herrschaft darstellten. Entsprechend wurde von den Samurai nach Waffen und Anzeichen für die Ausübung von Kampfkünsten gesucht. Wen man entdeckte, wurde sofort hingerichtet. Trotzdem starben viele Samurai im Kampf Mann gegen Mann durch die "leere Hand". Da die Satsuma feststellten, dass sie diese Gefahr so nicht eindämmen konnten, begannen sie das Volk systematisch zu terrorisieren. Zuerst wurden die Steuern erhöht. Doch schlimmer waren die menschenfeindlichen Vorschriften die die Satsuma erfanden. So mussten auf der Insel Yanaguni, sobald der dort aufgestellte Gong geschlagen wurde, alle Bewohner so schnell sie konnte zum Rapport zur Mitte der Insel laufen – wer zu spät kam wurde erschlagen. Auf der Nebeninsel Kubuwari gab es eine ca. dreieinhalb Meter breite Schlucht. Jede schwangere Frau musst dort hinüberspringen. Zwar konnten die Okinawaner erzwingen, dass ihr König aus der Gefangenschaft in Japan befreit und in Okinawa wieder eingesetzt wurde, aber er blieb nichts anderes als eine Marionette der Satsuma.

Dieser geschichtliche Hintergrund war dafür verantwortlich, dass viele Meister der Kampfkünste aus Okinawa sich nie mit den Japanern anfreundeten. Anfang des 18. Jh. kehrte dann wieder etwas Frieden ein. Die Kampfkünste durften wieder praktiziert werden, Reisen nach China wurden wieder erlaubt, aber immer noch stand Okinawa unter der Herrschaft der Satsuma. Erst im 19. Jh. endete sie und Okinawa wurde offiziell ins Japanische Reich eingegliedert. Damit endeten dann auch die Tributzahlungen an das Chinesische Kaiserreich. Das Japanische Reich sorgte für eine Verbesserung der Lebensbedingungen und brachte seine Kultur und sein Bildungswesen ins Land.

1905 führte Meister Yasutsune Itosu das Karate als Unterrichtsfach an den Schulen Okinawas ein. Damit brach er mit einer alten Tradition. Bis dahin waren die Kampfkünste stets eine im geheimen geübte und weitergegebene Kunst, die Außenstehenden nie zugänglich war. Trotz der Tatsache das Itosu das Karate von den gefährlichen Aspekten befreite und einen "volkstauglichen" Stil unterrichtete wurde er dafür von vielen stark kritisiert. Zu jener Zeit hatte sich das Karate schon in drei Hauptstile gespalten. Diese wurden nach den Städten, in denen sie ausgeübt wurden benannt – Tomari-Te, Shuri-Te und Naha-Te. Die Stile Tomari-Te und Shuri-Te verschmolzen aufgrund ihrer räumlichen Nähe später zum Shorin-Ryu, Naha-Te bildete die Grundlage für das spätere Shorei-Ryu. Diese beiden Hauptrichtungen haben heute zahlreiche Stilrichtungen ausgebildet, die auch heute noch auf Okinawa praktiziert werden.