Hinduismus

Die Einflüsse dieser Religion sind im Karate-Do nur noch sehr unterschwellig vorhanden. Dennoch ist zu beachten, dass der Hinduismus gleichsam den weltanschaulichen und kulturellen Hintergrund bildete, aus dem sich der Buddhismus herausentwickelte. Der Hinduismus ist eine weitgehend auf den indischen Subkontinent beschränkte Geburtsreligion, während der daraus hervorgegangene Buddhismus einen universellen Anspruch erhebt und prinzipiell für jedermann zugänglich ist. Das Verhältnis von Hinduismus und Buddhismus ist durchaus in manchen Punkten dem Verhältnis von Judentum und universellem Christentum analog. Zu bedenken ist dabei stets, dass die vielfältigen indischen Religionen, die sich zum Teil in ihren Lehren widersprechen, nur sehr ungenau mit dem Oberbegriff Hinduismus erfasst werden können.

Die meditative Grundhaltung hinduistischer Religiosität sowie die Verehrung auch der furchterregenden und zerstörerischen Aspekte der Gottheit (z.B. Shiva) sind Elemente, die auch in den ostasiatischen Kampfkünsten wiederkehren. In der Bhagavad Gita, der populärsten und vielleicht großartigsten aller heiligen Schriften Indiens, wird der zögernde Krieger Arjuna durch den Gott Krishna belehrt, dass es die erste und unbedingte Pflicht des Kriegers ist, gehorsam zu kämpfen, selbst wenn man dabei gegen die eigenen Verwandten antreten muss. Hier lässt sich eine Entwicklungslinie zur Samuraiethik ziehen. Auch war es ja die hinduistische Kriegerkaste, die bereits früh ein ausgeprägtes Nahkampfsystem, einer Vorform des Karate vergleichbar, entwickelte. Zornige Gottheiten in Kampfposen, die Karatestellungen gleichen, schützen sowohl in Indien als auch in China, Japan und anderen ostasiatischen Ländern heilige Tempelbezirke vor dämonischem Einfluss. Als wichtigste hinduistische Merkmale im Karate gelten jedoch die hochentwickelten Yogasysteme, die in abgewandelter Form in manchen Karatestellungen, Atemtechniken, besonders aber in Teilen der rituellen Gymnastik ihren festen Platz haben. Gogen Yamaguchi, der große Altmeister des Goju-Ryu-Karate, war gleichzeitig ein Yoga-Meister.