Taoismus

Das große unterschwellig wirkende Gegensystem zum Konfuzianismus ist jene mystisch-philosophische Lehre Chinas, die davon ausgeht, dass das gesamte Universum von einer geistig-göttlichen Urenergie, dem Tao, durchwaltet wird. Der Mensch, der die Tendenz hat, sich durch seinen verobjektivierenden Intellekt aus dem großen Gesamtzusammenhang herauszulösen und vom Tao zu entfremden, soll in diesem wieder integriert werden. Dies geschieht vor allem durch Gelassenheit, loslassen können, "Nicht-handeln" (Wu Wei = Vermeidung von jeglichem Aktionismus), Angleichung an die Natur, Zulassen der eigenen ursprünglichen Spontaneität. Typisch ist die Anschauung, dass alle Erscheinungen der Welt als gegensätzliche Phänomene wie z.B. männlich-weiblich, hell-dunkel, Tag-Nacht, heiß-kalt, schlafend-wachend usw. auftreten (Yin und Yang Prinzip). Diese müssen entweder durch gleichwertiges Nebeneinanderbestehen oder durch permanente Abwechslung im Gleichgewicht gehalten werden, um zu individuellem und allgemeinem Wohl zu gereichen. Ist das Gleichgewicht durch unnatürliche Überbetonung nur einer der beiden Seiten gestört, so hat dies stets schädliche Auswirkungen zur Folge.

Die Einflüsse des Taoismus auf die Kampfkünste sind erheblich. Besonders die sogenannten weichen Kampf formen Chinas wie z.B. Tai Chi Chuan oder Hsing I Boxen sind rein taoistischen Ursprungs, der sich auch im Aikido oder Hapkido nachweisen lässt. Doch auch dem Karate als "harter" Kampfkunst liegen unterschwellige taoistische Einflüsse zugrunde. So ist z.B. auf den richtigen Wechsel von Anspannung und Entspannung, von Ein- und Ausatmen, von Agieren und Reagieren zu achten. Auch die Fähigkeit, einen körperlich überlegenen Gegner nicht mit der direkten (unterlegenen) eigenen Körperkraft, sondern mit Ausweichbewegungen und Kontern, mit weicher Abwehr und hartem Gegenangriff zu bekämpfen, ist hier zu nennen. Schon das Bild zweier kämpfender Karateka ist ein Ausdruck des Yin und Yang Symbols. Von allen Karatestilen finden diese Prinzipien am stärksten im Goju-Ryu-Karate (Go = hart, Ju = weich) Beachtung. Einer der großen Altmeister des Karate, Hirokazu Kanazawa, ergänzt seit vielen Jahren das technisch sehr ausgefeilte schnelle und harte Shotokan-Karate durch die weichen geschmeidigen und langsamen Bewegungen des Tai Chi Chuan.